Die Pathologie des peripheren Bewegungsapparates ist eine wahre Fundgrube für die Vererbungswissenschaft. Kaum ein Band einer orthopädischen Zeitschrift oder eines orthopädischen Archivs, der nicht eine in dieser
Hinsicht bemerkenswerte kasuistische Mitteilung enthielte! Die wissenschaftliche Auswertung dieses überreichen Materials müssen sich aber gerade diejenigen entgehen lassen, die es zur Verfügung haben: die Orthopäden. Denn die
für eine· solche Auswertung erforderliche gründliche Schulung in der Vererbungslehre geht ihnen naturgemäß ab, sie sich eines oder des anderen selbstbeobachteten Falles wegen anzu eignen, fehlt ihnen Zeit und Gelegenheit.
Diese Gelegenheit nun soll ihnen durch die vorliegende Monographie geboten werden, die ihnen auch zeigen soll, welch ungeahnte Probleme und Perspektiveil sich der wissenschaftlichen Orthopädie eröffnen, wenn sie ihnen nur ihr
Augenmerk zuwendet. Die Fragestellungen der Ver erbungslehre sind bei weitem nicht mit der Frage nach dem evtl. Erb gang einer hereditären Deformität erschöpft, wie vielfach angenommen wird. Der Leser des folgenden Buches
wird vielmehr sehr rasch er fahren, wo die Hauptprobleme zu suchen sind und worauf künftighin sein Augenmerk zu lenken ist. Die Zurückführung des Phänotypus auf seine genotYIJischen Grundlagen, die Herausarbeitung und Isolie
rung bestimmter Erbeinheiten und die Erkenntnis ihrer gegenseitigen Zusammenhänge, deren Physiologie wir nur aus den uns von der Natur zufällig gebotenen pathologischen Abweichungen zu ergründen ver mögen, das sind
fundamentale Dinge, um die sich die Orthopäden bis lang nicht gekümmert haben, weil sie sie gar nicht kannten.